BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
VI ZR 119/04
URTEIL
in dem Rechtsstreit
Verkündet am: 7. Dezember 2004
a) Ein überdurchschnittlicher Erlös, den der Geschädigte für seinen Unfallwagen
aus Gründen erzielt, die mit dem Zustand des Fahrzeugs nichts zu tun haben, ist
dem Schädiger nicht gutzubringen (im Anschluss an Senatsurteile vom 5. März 1985
-VI ZR 204/83 -VersR 1985, 593 f. und vom 21. Januar 1992 -VI ZR 142/91 -VersR
1992, 457 f.).
b) Ein Geschädigter ist grundsätzlich nicht verpflichtet, einen Sondermarkt für
Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen; er muss er sich jedoch
einen höheren Erlös anrechnen lassen, den er bei tatsächlicher Inanspruchnahme
eines solchen Sondermarktes ohne besondere Anstrengungen erzielt.
BGH, Urteil vom 7. Dezember 2004 -VI ZR 119/04 -LG Freiburg AG Staufen
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren nach
Schriftsatzfrist bis 22. November 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Müller und die Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Freiburg vom
13. April 2004 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen:
Tatbestand:
Der Kläger verlangt von den Beklagten restlichen Schadensersatz und
Schmerzensgeld aus einem Verkehrsunfall vom 24. November 2001, bei dem sein
Fahrzeug einen wirtschaftlichen Totalschaden erlitt. Der Beklagte zu 1 als
Fahrer des am Unfall beteiligten Kraftfahrzeugs und die Beklagte zu 2 als dessen
Haftpflichtversicherer haben für die Unfallschäden unstreitig in voller Höhe
einzustehen. Die Parteien stritten vor dem Berufungsgericht um die Höhe des
Schmerzensgelds und den Restwert des Fahrzeugs des Klägers.
Der Kläger hatte das Gutachten der KFZ-Sachverständigen K. vom 30. November 2001
eingeholt, das einen Wiederbeschaffungswert einschließlich Mehrwertsteuer von
13.200,00 DM, einen Restwert einschließlich Mehrwertsteuer von 1.600,00 DM und
damit einen Fahrzeugschaden einschließlich Mehrwertsteuer von 11.600,00 DM
ergab.Er verkaufte das nicht reparierte Fahrzeug an einen von ihm im Internet
ermittelten Käufer mit Kaufvertrag vom 5. Dezember 2001 zu einem von ihm nicht
mitgeteilten Preis. Am 19. Dezember 2001 teilte die Beklagte zu 2 dem Kläger
mit, dass ihr ein verbindliches Angebot einer S. GmbH in L. vorliege, die bereit
sei, für den Unfallwagen 6.000,00 DM zu bezahlen. Dementsprechend zahlte die
Beklagte zu 2 an den Kläger Wiederbeschaffungswert 13.200,00 DM
abzüglich Restwert 6.000,00 DM, somit 7.200,00 DM. Der Kläger hat den
Unterschiedsbetrag zu obigem Restwert von 1.600 DM mit 4.400,00 DM, entsprechend
2.249,69 € neben einem Schmerzensgeld von weiteren 600,00 € mit seiner Klage
geltend gemacht.
Das Amtsgericht hat der Klage nur zum Schmerzensgeld in Höhe von 100,00 €
stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte
keinen Erfolg. Mit der – vom Berufungsgericht lediglich hinsichtlich des
materiellen Schadens (2.249,69 €) – zugelassenen Revision verfolgt der Kläger
sein Begehren auf Ersatz seines Schadens in Höhe des Unterschiedsbetrags der
Restwerte.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen
ausgeführt, der Sachverständige des Klägers habe zu Recht auf den Preis
abgestellt, der auf dem allgemeinen örtlichen Markt für das Unfallfahrzeug zu
erzielen war, und nicht auf den Preis in dem Sondermarkt der Restwertaufkäufer
im Internet, der vielen Geschädigten nicht zugänglich sei. Auch müsse sich der
Kläger nicht das ihm von der Beklagten zu 2 übermittelte Kaufangebot der
S. GmbH vom 19. Dezember 2001 anrechnen lassen, das erst nach dem Verkauf des
Unfallwagens bei ihm eingetroffen sei. Der Kläger müsse sich aber den
tatsächlich erzielten Veräußerungserlös anrechnen lassen. Dieser sei nicht mit
überobligationsmäßigen Anstrengungen erzielt worden. Nach dem eigenen Vortrag
des Klägers sei der Verkauf des Unfallwagens für ihn nur mit einem sehr geringen
Aufwand verbunden gewesen. Er habe nicht dargelegt, dass es ihn größere Mühe
gekostet habe, die entsprechenden Seiten im Internet aufzurufen und sein Angebot
ins Internet zu stellen. Der Kläger habe nicht vorgetragen, dass er mehr habe
tun müssen als auf das Angebot des Käufers zu warten oder daß irgendwelche
Verhandlungen stattgefunden hätten.
Es sei davon auszugehen, dass der Kläger mindestens 6.000,00 DM für den
Unfallwagen erhalten habe. Die entsprechende Behauptung der Beklagten habe er
nicht bestritten.
II.
Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision stand.
1.
Die Revision ist nach Zulassung durch das Berufungsgericht gemäß § 543 Abs. 1
Nr. 1 ZPO statthaft, jedoch wirksam beschränkt auf den Anspruch des Klägers auf
Ersatz seines materiellen Schadens als rechtlich selbständigen Teil des
Gesamtstreitstoffes, über den gesondert hätte entschieden werden können (vgl.
Senatsurteil vom 9. Dezember 2003 -VI ZR 38/03 -, VersR 2004, 388; BGHZ 155,
392, 393 f.).
2.
Ohne Rechtsfehler geht das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der
Rechtsprechung des erkennenden Senats davon aus, dass der Geschädigte, wenn er
von der Ersetzungsbefugnis des § 249 Satz 2 BGB a.F. (Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB)
Gebrauch macht und den Schaden nicht im Wege der Reparatur, sondern durch
Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs beheben will, bei der Bemessung des
erforderlichen Betrags, den er für die Ersatzbeschaffung verlangt, den Restwert
des beschädigten Fahrzeugs vom Wiederbeschaffungswert abzuziehen hat (vgl.
Senatsurteile BGHZ 115, 364, 372; vom 21. Januar 1992 -VI ZR 142/91 -VersR 1992,
457; vom 6. April 1993 -VI ZR 181/92 -VersR 1993, 769, 770). Dieser
Ausgangspunkt ist zwischen den Parteien nicht umstritten.
3.
Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht auch den Restwert des Unfallfahrzeugs
an dem Preis bemessen, den der Kläger nach dem von ihm nicht bestrittenen
Beklagtenvortrag mindestens erzielt hat.
a) Zunächst ist festzustellen, in welcher Höhe dem Geschädigten angesichts des
ihm verbliebenen Restwerts seines Fahrzeugs durch den Unfall überhaupt ein
Vermögensnachteil erwachsen ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats ist nach einer
Sachbeschädigung, wenn der Geschädigte gemäß § 249 Satz 2 BGB a.F. die
Schadensbehebung selbst in die Hand nimmt, der zur Wiederherstellung
erforderliche Aufwand nach der besonderen Situation zu bemessen, in der sich der
Geschädigte befindet. Es ist also Rücksicht auf seine individuellen Erkenntnis-
und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn
bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (vgl. Senatsurteile BGHZ 66, 239, 245, 248
f.; 115, 364, 369; 155, 1, 5). Diese "subjektbezogene Schadensbetrachtung" gilt
auch für die Frage, in welcher Höhe dem Geschädigten wegen der ihm in seiner
individuellen Lage möglichen und zumutbaren Verwertung seines Unfallfahrzeugs
kein Schaden entstanden ist. Will er sein Fahrzeug etwa einer ihm vertrauten
Vertragswerkstatt oder einem angesehenen Gebrauchtwagenhändler bei dem Erwerb
eines Ersatzfahrzeugs in Zahlung geben, dann kann ihn der Schädiger gegenüber
deren Ankaufangeboten nicht auf einen höheren Restwerterlös verweisen, der nur
auf einem dem Geschädigten erst durch den Schädiger eröffneten Sondermarkt, etwa
durch Einschaltung spezialisierter Restwertaufkäufer, zu erzielen wäre (vgl.
Senatsurteile vom 21. Januar 1992 -VI ZR 142/91 -und vom 6. April 1993 -VI ZR
181/92 -, jeweils aaO).
Im Streitfall hat der Kläger sein Unfallfahrzeug zwar nicht in Zahlung gegeben,
sondern es auf einem solchen Sondermarkt unter Einschaltung des Internets
verkauft. Er hat dies aber erst nach Einholung eines Gutachtens (allerdings
nicht auf der Grundlage des darin ausgewiesenen Restwerts) getan, das nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts auf den allgemeinen örtlichen Markt
abgestellt war. Mehr als eine Schadensberechnung auf dieser Grundlage kann vom
Geschädigten im Rahmen des Wirtschaftlichkeitspostulats grundsätzlich nicht
verlangt werden, ohne die ihm nach § 249 Satz 2 BGB a.F. zustehende
Ersetzungsbefugnis auszuhöhlen. Eine Verpflichtung, über die Einholung eines
Sachverständigengutachtens hinaus noch eine eigene Marktforschung zu betreiben
und dabei die Angebote auch räumlich entfernter Interessenten einzuholen, traf
den Kläger auch im hier zu entscheidenden Fall nicht. Der in dem Gutachten
ausgewiesene Wert war daher eine geeignete Grundlage für die Bemessung des
Betrages, in dessen Höhe dem Geschädigten durch den Unfall kein
Vermögensnachteil entstanden ist.
b) Grundsätzlich ist allerdings ein überdurchschnittlicher Erlös, den der
Geschädigte für seinen Unfallwagen aus Gründen erzielt, die mit dem Zustand des
Fahrzeugs nichts zu tun haben, dem Schädiger nicht gutzubringen (vgl.
Senatsurteile vom 5. März 1985 -VI ZR 204/83 -VersR 1985, 593, 594; vom
21. Januar 1992 -VI ZR 142/91 -aaO). Anderes gilt aber dann, wenn der
Geschädigte für das Unfallfahrzeug ohne überobligationsmäßige Anstrengungen
einen Erlös erzielt hat, der den vom Sachverständigen geschätzten Betrag
übersteigt. Dann hat er durch die Verwertung seines Fahrzeugs in Höhe des
tatsächlich erzielten Erlöses den ihm entstandenen Schaden ausgeglichen. Da nach
allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen der Geschädigte zwar vollen Ersatz
verlangen kann, an dem Schadensfall aber nicht "verdienen" soll, kann ihn der
Schädiger an dem tatsächlich erzielten Erlös festhalten (vgl. Senatsurteile BGHZ
154, 395, 398; vom 21. Januar 1992 -VI ZR 142/91 -aaO, 458). So liegen die Dinge
im Streitfall.
Soweit das Berufungsgericht das Vorbringen des Klägers dahin gewürdigt hat, er
habe mit dem günstigen Verkauf des PKW nur einen geringen Aufwand gehabt, weil
er zufällig durch einen Arbeitskollegen von dem Restwertaufkäufermarkt im
Internet erfahren und keine Mühe dargelegt habe, die zugehörigen Internetseiten
aufzurufen und sein Angebot einzustellen, lässt das keinen revisionsrechtlich
durchgreifenden Fehler erkennen.
aa) Das Berufungsgericht hat – entgegen der Ansicht der Revision – nicht
verkannt, dass die Beklagten als Schädiger die Darlegungs- und Beweislast dafür
tragen, dass der hohe Restwert ohne überobligationsmäßige Anstrengungen erzielt
wurde (vgl. Senatsurteile BGHZ 143, 189, 194; vom 21. Januar 1992 -VI ZR 142/91
-aaO). Es hat indes keine Beweislastentscheidung getroffen, sondern sich in
tatrichterlicher Würdigung des Klägervortrags davon überzeugt, dass dem Kläger
der Verkauf über das Internet tatsächlich ohne weiteres möglich war. Aus dem
Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses und dem Zeitpunkt der Übergabe des
Unfallfahrzeugs an den Käufer hat das Berufungsgericht geschlossen, dass dieser
das Fahrzeug ohne vorherige Besichtigung gekauft hat. Die Revision erhebt hierzu
keine Beanstandungen. Auch der Einwand der Revision, das Berufungsgericht habe
im Rahmen der erforderlichen Würdigung verkannt, dass für die Frage der
überobligationsmäßigen Anstrengung der Gesamtaufwand des Klägers und damit auch
dessen Bemühungen um die von dem Zeugen W. vermittelten Interessenten zu
berücksichtigen seien, bleibt ohne Erfolg. Der Vortrag des Klägers, er habe zu
Besichtigungen seines Fahrzeugs durch jene Interessenten am Wochenende mehrfach
von seinem Wohnort zu seiner Arbeitsstelle fahren müssen, war sowohl vom Umfang
des Aufwands wie von der Zahl solcher Fahrten zu unbestimmt als dass das
Berufungsgericht ihm nachgehen musste.
Bei dieser Sachlage hat das Berufungsgericht mit Recht auf das tatsächliche
Veräußerungsgeschäft abgestellt, das unter den festgestellten Umständen keinen
überobligationsmäßigen Aufwand verursacht hat. Auch wenn ein Geschädigter
grundsätzlich nicht verpflichtet ist, einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im
Internet in Anspruch zu nehmen, muss er sich doch einen höheren Erlös anrechnen
lassen, den er bei tatsächlicher Inanspruchnahme eines solchen Sondermarktes
ohne besondere Anstrengungen erzielt hat (vgl. Senatsurteil aaO, 195). Der
Schädiger hat freilich keinen Anspruch darauf, dass sich der Geschädigte zu
einem Verkauf in dem Sondermarkt der Internet-Restwertaufkäufer entschließt
(vgl. Senatsurteile BGHZ 66, 239, 248; vom
5. März 1985 -VI ZR 204/83 -aaO, 595). Dass der Kläger zu der von ihm
entwickelten Initiative nicht verpflichtet war, rechtfertigt es jedoch nicht,
ihm den daraus resultierenden Erfolg zu Lasten des Schädigers und der
Versichertengemeinschaft zu belassen. Auch dass der "Übererlös" für den
Unfallwagen aus Gründen erzielt wurde, die mit dem Zustand des Fahrzeugs nichts
zu tun hatten (vgl. Senatsurteile vom 5. März 1985 -VI ZR 204/83 -aaO; vom 21.
Januar 1992 -VI ZR 142/91 -aaO, 457), erfordert das nicht. Ein Verbleib des
Übererlöses würde gegen das schadensrechtliche Bereicherungsverbot verstoßen,
wonach der Geschädigte zwar vollen Ersatz verlangen kann, an dem Schadensfall
aber nicht verdienen soll (vgl. Senatsurteil BGHZ 154, 395, 398).
bb) Die Revision kann auch mit ihrer Rüge einer unvollständigen Ausschöpfung des
Prozessstoffes (§ 286 Abs. 1 ZPO) nicht durchdringen. Von einer Begründung wird
abgesehen (§ 564 Satz 1 ZPO).
4. Die Höhe des Erlöses konnte das Berufungsgericht unbedenklich mit 6.000 DM
annehmen, da der Kläger die entsprechende Behauptung des Beklagten nicht
bestritten hat.
5. Nach allem ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO
zurückzuweisen.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr |